Al Green

Sonntag, 16.06.2019

Heute ist Sonntag und was unternimmt man als Christenmensch an einem Sonntagvormittag? Man begibt sich zum Gottesdienst. Im Vorort Whitehaven von Memphis predigt Bischoff Al Green, geboren 1946. Die Kirche war bereits 20 Minuten vor Beginn des Gottesdienstes zu einem Viertel gefüllt und ein Prediger stimmte die Gemeinde ein, sozusagen ein warm-up. Etwa 150 Besucher hatten sich versammelt, vielleicht etwas mehr Weiße als Schwarze, doch war der offensichtlich harte Kern der Gemeinde schwarz; auch saßen auf dem Podium nur Schwarze. Der Gottesdienst begann mit dem Tabernakel Gospel Chor, sieben schwarze Sängerinnen, begleitet von fünf schwarzen Musikern mit Gitarre, Schlagzeug und elektrischem Klavier. Nach etwa 20 Minuten erschien Al Green, groß, nicht unbeleibt, strahlend, seine weißen Zähne lachend zeigend. Nach Ansprachen von zwei Mitwirkenden, wobei der heutige Father's Day betont wurde, im Wechsel mit Chorbeiträgen und dem Glaubensbekenntnis sprach Bischof Green, der die Gemeinde vor gut 40 Jahren gegründet hat. Er trug einen langen weißen Umhang mit zurückgeschlagener Kapuze und weiten Ärmeln,  darunter ein blaues Oberhemd mit nahezu verdeckter roter Krawatte. In  seiner Predigt wurde vielerlei angesprochen. Kinder seien schon früh und richtig zu erziehen. Es war die Rede von Salomon, Herodes, Pontius und Pilatus. Der Vortrag war nicht einseitig; aus der Gemeinde wurde nach fast jedem Satz dazwischengerufen: "Yes.", "Right" und "Amen". "Amen" kam in jeder Minute mindestens viermal vor. Für die Kollekte, bestimmt für Obdachlose, wurden Briefumschläge herumgereicht, die man selbst in einer Art Prozession nach vorne brachte und auf einem goldfarbigem Teller ablegte. Dass man sich mit Geld keinen Platz im Himmel erwerben könne, kam in der Predigt erst nach der Kollekte vor. Nach nahezu einer Stunde Predigt, bei der noch kein Ende absehbar war, verließ die Reisegruppe leise die Kirche.

Und begab sich zur Blues Hall of Fame. In etwa 10 Ausbuchtungen sind Devotionalien von in den USA bekannten Bluesgrößen ausgestellt, wie Photographien, Musikinstrumente, Kleidung, Schuhe,  Schallplatten, Plakate, Zeichnungen usw. Dann gibt es einen Monitor, wo weitere Bilder bei Bluesmusik abgespielt werden. Schließlich noch einen Gang mit Namen, wer in welchem Jahr in die Hall of Fame aufgenommen wurde. Man muss wohl ein riesiger Bluesfan sein, um länger als eine halbe Stunde in dem Museum zu verbringen. Dafür wurde auch der Eintrittspreis in Höhe von 10 $ pro Person als unangemessen hoch empfunden. Übrigens wurde die MasterCard bei der Bezahlung des Eintrittspreises nicht anerkannt.

Anschließend pflegte die Reisegruppe ihre Augen, während der Reiseleiter Mud Island erkundete. Wieder vereint begab man sich zum Peabody Hotel, um dem Entenabtrieb vom Hotelbrunnen beizuwohnen. Doch war es auch 20 Minuten vor der angekündigten Zeit bereits so voll in der Lobby, dass nur aus einer hinteren Reihe ein verstohlener Blick auf die fünf Enten erhascht werden konnte. Jedenfalls wurde der Abtrieb (zum Fahrstuhl) zeremoniell begangen, mit Ansprache und festlicher Musik, und es wohnten mehrere hundert Menschen dem Ereignis bei.

Die Beale Street war bereits vom Vortag bekannt, doch lohnt sich auch noch eine zweite Begehung, um noch mehr von der Südstaatenmusik mitzubekommen. Zum Abendessen gab es die legendären Rips bei Alfred's in der Beale Street, sehr lecker, dabei aber eine Zahnecke abgebrochen. Dazu spielte eine Big Band Swing, immerhin 14 Musikanten, bei einigen Songs von einer Sängerin unterstützt. Die MasterCard wurde beim Bezahlen wieder nicht akzeptiert; vielleicht liegt es daran, dass der Magnetstreifen einen Fehler aufweist, denn in vielen Lokalen und Geschäften verfügt man nicht über Chip-Lesegeräte.

Am Abend wurde noch gemeinsam Mud Island aufgesucht, wo sich ebenfalls eine Band mit einer Sängerin auf einer Parkwiese produzierte, alle ausnahmslos schwarz, wie fast die gesamte Zuhörerschaft, zu einem erheblichen Anteil adipös hoch zwei. Immerhin war die Wärme im leichten Abendwind gut zu ertragen, doch sorgte die Klimaanlage im Hotelzimmer schließlich für einen guten Schlaf.

Nachtrag zur Fahrt vor drei Tagen: Am Straßenrand waren auf einem privaten Grundstück im Abstand von jeweils etwa 50 Metern bei der Vorbeifahrt fünf Schilder mit folgenden Sätzen aufgestellt: Meine Frau ist mir weggelaufen. - Die Kinder tanzen mir nur noch auf der Nase herum. - Mein eigener Hund knurrt mich an. - Ich bin pleite. - Arms save life.

Zweite Übernachtung in Memphis mit schönem Blick auf das nächtlich beleuchtete Memphis am Mi.